Tooltime

 25. April 2006 •  Ekkart •  Computer •  Allgemein

“Hier ist Tim ‘The Toolman’ Taylor.”

Wer je “Hört mal, wer da hämmert” gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Wer nicht, sollte das bei Gelegenheit nachholen, die Serie ist so schlecht nicht.

Das ist aber nicht das Thema des heutigen Eintrags, mir geht es um Werkzeuge und den Umgang mit ihnen. Ein schöner Satz zum Thema ist:

Wenn man einen Hammer hat, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.

Im Gegensatz zur Wirklichkeit, die durch diesen Satz schimmert, wurde mir an der Universität gelehrt, dass ein Werkzeug problembezogen ausgewählt wird. Erst ist das Problem, dann die Lösung, dann das Werkzeug, mit dem die Lösung umgesetzt wird. Nach dem Studium, im Gespräch mit Kunden, ist das der wichtigste Lehrsatz, den wir umgesetzt wissen wollen: erst das Problem, dann das Werkzeug. Natürlich ist mir mittlerweile längst klar, dass Firmen auch äußere Zwänge zu berücksichtigen haben: Werkzeuge wurden gekauft und müssen nun genutzt werden; neue Werkzeuge erfordern Mitarbeiterschulungen; neue Werkzeuge erfordern Zeit für die Umstellung, die einfach nicht da ist. So ergeht es uns oft wie Don Quixote mit den Windmühlen: wider besseres Wissen predigen wir Methoden und bekommen Werkzeuge.

Um so schöner, wenn tatsächlich mal jemand methoden- und lösungsorientiert vorgeht. Wenn zum Beispiel ein Text geschrieben werden muss, wird nicht einfach ein Programm vorgesetzt, sondern der Einsatzzweck und das Problem werden analysiert und daraufhin das geeignete Werkzeug eingesetzt. Für den nächsten Text kann ein anderes Werkzeug geeigneter sein, ein Brief hat wieder andere Erfordernisse. Alles in allem stehen (mir) vier Alternativen zur Verfügung (Word, Framemaker, LaTeX, OpenOffice), die jede ihre Stärken und Schwächen haben. Ohne Scheuklappen sollte das kein Problem sein, denn PDF als Austauschformat kann mit jeder Anwendung erzeugt werden.

Was sind nun Kriterien, nach denen zum Beispiel eine Textverarbeitung ausgewählt werden sollte? Sollen mehrere Leute gleichzeitig an einem Dokument arbeiten, sollte das Dokument in Teile zerlegbar sein. Sollen viele Abbildungen eingebunden werden, wäre es schön, wenn das unterstützt würde. Sollen die Texte ein bestimmtes Aussehen haben, sind vorhandene Templates eine Entscheidungsgrundlage. Soll der Kunde das Dokument weiterverarbeiten können, muss er Vorgaben machen. Mehr Beispiele will ich nicht geben, sonst wird es ermüdend.

Was sind nun Kriterien, nach denen tatsächlich eine Textverarbeitung ausgewählt wird? Habe ich schon immer genommen. Meine kann das auch. Meine hat eine bessere Rechtschreibprüfung (auch wenn die nicht gebraucht wird). Meine ist informatikertypischer (Top-Antwort unter den Geeks). Meine zeichnet Text logisch aus (mein Favorit). Das Programm haben wir gekauft. Das Programm verstehen “xyz” nicht (wobei “xyz” den Text nur lesen, nicht editieren müssen). Muss ich mehr Beispiele bringen?

Worauf will ich hinaus? Wasser predigen fällt nicht schwer, den eigenen Wein stehenzulassen, schon. Nicht, dass ich besser wäre: LaTeX ist natürlich das beste aller Programme. Ich habe allerdings mittlerweile gelernt, dass Alternativen ihre Berechtigung haben. Schwierig wird es erst, wenn man Programme so stark verteidigt, dass die Vernunft auf der Strecke bleibt. Dann haben wir “Evangelisten”, die ihre frohe Botschaft per Dogma durchsetzen wollen. So wie mich: nehmt LaTeX!

Wie paßt dieser Sermon nun zum Straßenverkehr? Hier sind die Werkzeuge Fahrzeuge bzw. die Füße. Das Problem ist meist klar: von A nach B kommen, einkaufen, Material besorgen, eine Spazierfahrt machen etc. Wer wählt aber sein Werkzeug (Fahrzeug) nach den tatsächlichen Anforderungen aus? Für Spazierfahrten mal das Fahrrad statt dem Auto. Für das Einkaufen mal um die Ecke laufen und nicht zum Supermarkt im anderen Stadtbezirk. Hier erscheinen die Antworten oft einfach und plausibel.

Wie sieht es aber mit längeren Fahrten durch die Stadt aus? Mein Problem: zur Uni kommen. Meine Lösung: Fahrrad nehmen und los. Warum nicht das Auto? Weil die Parkplatzsuche und der Streß mir die ganze Fahrt zerstören würden und sie damit zur Nervenprobe geraten würde. Warum denken nicht viele Leute so? Weil sie gar nicht an Alternativen denken. Wer schnell durch die Stadt will, sagt: Auto. Daß man mit dem Fahrrad meist nur unwesentlich langsamer ist (den Beweis trete ich bis ca. 10 km Fahrt jederzeit an), sehen wenige ein. Daß der Streß ungleich höher ist, das wissen alle Verkehrsteilnehmer. Dennoch wird das Auto genommen, natürlich wird die optimale Fahrzeit vorausgesetzt, ist dann eine kleine Störung vorhanden, bricht die Zeitplanung zusammen, es muss aufgeholt werden, Streß, Fehlverhalten.

Fazit im Verkehr: Öfter auch mal über Alternativen nachdenken, bevor tradierte Verkehrsmittel zum völlig falschen Zweck eingesetzt werden.

(archivierter Beitrag aus rauhesitten.blog.de)